Bei einem Spaziergang durch die Straßen rund um die Heinrich-Böll-Stiftung gab Bettina Knothe am Dienstag Morgen eine kleine Einführung, wie Geschlecht und Herrschaftsstrukturen den öffentlichen Raum beeinflussen können. Der Genderwalk ging über die Reinhardstraße, Spree-Brücke Regierungsviertel, Schiffbauerdamm und über die Friedrich-Straße zurück in Richtung Heinrich-Böll-Haus.
Besonders einleuchtend waren für mich die Informationen und Gespräche über die Ungleichheit in Bezug auf „männliche und weibliche Straßennamen“. Bettina Knothe zeigte an mehreren Beispielen, dass in der jüngeren Geschichte v.a. kürzere und unbeliebtere Straßen in Berlin, für sie „No-No-Straßen“,(wie z.B. Sackgassen, dunkle Bahndamm- oder Zugangsstraßen)nach berühmten Frauen benannt worden seien: unter ihnen die Margarete Steffin-, Adele-Schreiber-Krieger- sowie
Claire-Waldoff-Straße.
Die Stadtführerin brachte die Teilnehmer auch zu kleinen Oasen der Ruhe, die selbst eingefleischten Berlinern überraschte, wie z.B. das „Parlament der Bäume“ im Regierungsviertel, das den Maueropfern gedenken soll oder die wunderschöne, grüne Pelikansiedlung mit großen Kinderspielplatz in der Nähe der Friedrichstraße – ehemals ein Waisenhaus. Diesen Orten stellte sie neu konstruierte Plätze gegenüber, wie die Ufer im Regierungsviertel oder der Platz vor dem Berliner Ensemble und machte klar, dass diese zwar stark modernisiert worden wäre, ein sozialer und regenerativer Zugang aber – schon allein aufgrund fehlender Sitzgelegenheiten oder unpraktischer Straßenzugänge
– fehle.
Dass passive Abschreckung im öffentlichen Raum durch Symbole und Architektur bis hin zur aktiven Ausgrenzung reichen kann, musste eine Teilnehmerin inmitten der 2-Stunden-Tour am eigenen Leib erfahren: Als wir am Marie-Elisabeth Lüders-Haus zum Ufer heruntergehen wollten, musste eine Rollstuhlfahrerin umkehren. Erst nach Nachfragen im Security-Häuschen, wo denn die Rampe geblieben sei („Das hat Berlin aber versaut – nicht Deutschland“) fand die Teilnehmerin und ihre Begleiterin schließlich einen Fahrstuhl im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus.
Wenn nicht bei allen Plätzen der Bezug zu Gender-Theorien klar wurde, manchmal auch der Verdacht der selektiven Wahrnehmung aufkam und auch die Richtigkeit einiger historischer Äußerungen diskutiert wurde, war die Tour doch eine gute Einführung in das Thema. Auf meinem Nachhause-Weg vom Heinrich-Böll-Haus waren meine Augen etwas wacher und neugieriger als sonst.