Die mögliche Schwäche des Podiums war zugleich seine Stärke: alle der vier Diskussionsteilnehmerinnen waren in den Jahren 89/90 in Berlin, alle kamen aus Institutionen: Hildegard Nickel und Petra Bläss-Rafajlovski arbeiteten an der Humboldt Universität, Christina Thürmer-Rohr an der TU Berlin und Carola von Braun war Frauenbeauftragte des Berliner Senats. Die Diskussion war dementsprechend Berlin-zentriert, aber es ermöglichte eine Vergleichbarkeit der Erfahrungen. Trotz örtlicher Nähe hätten die Einschätzungen der Ereignisse jedoch unterschiedlicher nicht sein können, zuviel trennte Ost und West.
Für Nickel und Bläss-Rafajlovski war der Weg zum Fall der Mauer eine Revolution, aufregend, voller spannender Möglichkeiten und (zumindest für eine Weile) angefüllt von feministischer Euphorie. Für Thürmer-Rohr und von Braun war die Maueröffnung das Ende dessen, was sich die Frauenbewegung seit den 70ern in Westberlin aufgebaut hatte - es war weniger eine Chance als ein großer Verlust. Es war die Rückkehr der Chauvi-Witze, erkämpfte Ansprüche wurden verloren. (Westdeutsche) Frauen- und Geschlechterfragen fanden keinen Platz im komplizierten Prozess der Einheit. Woran das lag? Carola von Braun kam zu dem Schluss, dass die westdeutsche Frauenbewegung nicht bereit war, das Ausmaß der Umwälzungen zu sehen, sie meinten, so weiter machen zu können wie bisher. Hildegard Nickel argumentierte, die westdeutschen Feministinnen hätten nicht zuhören und sich auf die neuen 'Schwestern' aus dem Osten einstellen wollen - zu groß die Unterschiede und vielleicht auch die Angst vor Konkurrenz.
Das aber das Zuhören in beide Richtungen nicht funktionierte, zeigten die Volkskammerwahlen 1990: Vielleicht weil sie sich nicht von westdeutschen politisch Aktiven bevormunden lassen wollten, nahmen die Frauen des 1989 in der DDR gegründeten Unabhängigen Frauenverbandes den Rat nicht an, bei der Listenaufstellung gegenüber der Grünen Partei der DDR, mit der sie gemeinsam kandidierten, auf eine Quotierung zu bestehen. Alle 8 errungen Mandate gingen an die DDR-Grünen, das Bündnis zerbrach, die feministischen Frauen hatten einen herben Rückschlag erlitten.
Das Miteinander scheiterte auch an der Sprache: "Wir Frauen sprachen - oberflächlich betracht - die gleiche Sprache. Wenn man genauer hinschaut zeigte sich aber: Wir benutzten zwar die selben Worte, sie bedeuteten aber nicht das Gleiche. Wir hätten uns öfter darüber unterhalten sollen, was wir meinen, wenn wir z.B. von 'Patriarchat' sprechen."