Beim Gender Happening gehört: "Über Privilegierungen haben wir mit den Frauen vor 20 oder 30 Jahren diskutiert. Heute ist das kein Thema mehr, denn wir wissen, dass auch Männer Opfer sind.
Wie aber funktioniert ein System, in dem angeblich keineR von ungleichen Machtstrukturen profitiert, diese aber offensichtlich existieren, wie das Wort 'Opfer' zeigt? Wer übt dann überhaupt Macht aus? Wenn dies nicht benennbar ist, wie erhält sich diese Macht und warum ist es offensichtlich so schwer, diese Strukturen zu ändern?
Es geht nicht darum, zu bezweifeln, dass Männer auch von Sexismus und Ungerechtigkeiten betroffen sein können und sind. Sowohl der wissenschaftliche als auch der gesellschaftliche Diskurs hat sich in den letzten Jahren stark bewegt, die einfache Antwort 'Mann = Täter, Frau=Opfer' sind sowohl von der Frauenforschung als auch von der Männerforschung revidiert und erweitert worden. Connell u.a. haben für die Männerforschung theoretisch dargelegt, dass es nicht
die eine, feste Männlichkeit gibt, sondern eine Vielzahl von Arten, wie Männlichkeit gedacht und gelebt wird. Diese verschiedenen Lebens- und Verhaltensweisen sind aber gesellschaftlich nicht als gleichwertig anerkannt. Zwischen Männern entstehen so hierarchische Unterschiede. Diese bestehen aber ähnlich unter Frauen und zwischen den Geschlechtern. Es ist der inter- und transdisziplinären Forschung der letzten Jahre zu verdanken, dass wir heute wissen (können), dass weitere Kategorien neben Gender existieren, die Benachteiligungen bzw. Privilegierungen erfassen und beschreiben, unter ihnen ethnische und soziale Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Handicap und Alter. Unsere Idee von Privilegierung und Benachteiligung sind damit fließender geworden, man und frau ist nicht zwingend das eine
oder das andere, er oder sie kann beides in unterschiedlichen Kontexten in sich vereinen. Aber eines ist nicht passiert: Privilegierungen sind nicht verschwunden, sie sind nur genauer abbildbar geworden.
Beim Thematisieren von Privilegien geht es nicht darum, Schuld zuzuweisen, sondern Verantwortung zu übernehmen - dort, wo man wie frau von ungerechten Strukturen profitiert und andere benachteiligt werden. Einfach ist es nicht. Macht, und damit Gestaltungsspielraum, abzugeben, ist immer schwierig, im eigenen Nahraum genauso wie im globalen Kontext. Es ist auch daher besonders schwer, weil es uns in allen Lebensbereichen betrifft: von unserem Umgang mit Mitmenschen bis hin zu den Jeans, die so günstig sind, weil Frauen irgendwo in den Billiglohnländern oder in den immer noch existierenden Sweatshops in der westlichen Welt sie für einen Gehalt, von dem keineR leben kann, zusammengenäht haben. Aber zu leugnen, dass viele von uns in der einen oder anderen Form privilegiert sind, weil es 'uns doch auch irgendwie nicht so gut geht und dem oder der doch viel besser' hinterlässt ein Vakuum, in dem es unmöglich wird, Benachteiligungen und Ungerechtigkeiten zu thematisieren, Verantwortung dafür zu übernehmen und Veränderung zu ermöglichen.