Eine Abschlussbetrachtung
Eine Woche Gender is Happening. Es geht um Ein- und Ausschlüsse, die aus Geschlechterkategorien und -zuschreibungen heraus tagtäglich passieren, und Chancen, sie zu unterwandern. Darüber eine Woche lang zu diskutieren, ist gut. Doch wie sieht es eigentlich mit Ein- und Ausschlüssen bei Gender is happening selbst aus? Eine überflüssige Frage, weil wir uns doch alle solcher Mechanismen bewusst sind? Ich glaube nicht.
Workshops, die gerade eigene Erfahrungen der Teilnehmer_innen thematisieren wollen und von daher als solche nicht so hoch angesiedelt sind wie die Vorträge von Expert_innen, bilden sich schon in den Vorstellungsrunden als homogene Gruppen. Scheinbar sind "wir" alle werdende Jungakademiker_innen, sitzen gerade an unserer Diplom-, Magister-, Master-Arbeit oder Dissertation, haben alle "schon viel zu Gender gearbeitet" und beschäftigen uns in unserer Abschlussarbeit nun mit "der Anwendung postdekonstruktivistischer Gendertheorien in Bezug auf xy am Beispiel der xz". Damit auch alle merken, dass wir schon "richtig drin" sind im Thema, geben wir ausführlichen Einblick in unsere Arbeit, zeigen aber natürlich auch, dass wir sehr reflektiert sind und uns nun von dem Workshop-Thema, zu dem wir bisher dann doch eher nur "marginal gearbeitet" haben, "neue Impulse", persönlich und für die eigene Arbeit, erhoffen. Wer keinen universitären Hintergrund hat, wird sich hier schon langsam unwohl fühlen, spätestens aber dann, wenn es ans Diskutieren geht: Denn wir reden selbstverständlich in unseren Fachjargons, die wir uns angeeignet haben, klar, die wollen wir ja auch mal anwenden, oder nicht? So schwimmen wir in unseren eigenen Diskurstümpeln, die wir kennen und die wir nicht verlassen wollen.
Aber warum eigentlich? Vom Gunda-Werner-Institut selbst wurde die Veranstaltung nicht als so hochschwellig kreiert. Was bringt uns dann dazu, zu denken, uns derart beweisen zu müssen?
Die Bemerkung einer Teilnehmerin, "Für Leute ohne Uni-Abschluss ist das hier irgendwie nichts", könnte vielleicht als Anregung dienen, zugunsten einer breiteren Diskussion den Ball einfach auch mal flacher zu halten.
Und noch auf einer weiteren Ebene kann man dazugehören oder eben nicht. Manchmal scheint es mir, als entstehe eine Dynamik unter den (jüngeren) Teilnehmer_innen, die ein Selbstverständnis kreiert, dass jede_r hier auf jeden Fall queer, vegan und links-alternativ bis -radikal ist und auch in diesen Szenen aktivistisch unterwegs ist. Der Beigeschmack des ein oder anderen Dogmatismus bleibt bei mir zurück. Andere Selbstverortungen (womit ich nicht etwa homophobe oder rechtsextreme meine, das sollte klar sein), erfordern in diesem Kontext Mut. Auch dies sind Dominanzen und Machtmechanismen, die es in meinen Augen zu hinterfragen gilt.
Ich schreibe, weil mir auffällt, daß die Homosexualität so ein wichtiges Thema für Gender-Theoretiker darstellt. Woran liegt das eigentlich? Sind viele Feministinnen und Gender-Theoretiker eigentlich homosexuell? Gibt es hier einen überdurchschnittlich hohen Anteil?
Ich habe fast das Gefühl, daß Gender-Theoretiker mithilfe dieser Theorie ihre Homosexualität rechtfertigen bzw. sich vor einer Infragestellung dieser Homosexualität schützen wollen. Daß mögliche andere vielleicht tabuisierte Gründe für die eigene Homosexualität verdrängt werden können.
In dieser Hinsicht würde mich interessieren, ob Gender-Theoretiker und Leser dieser Seite ein Problem mit der Fragestellung haben, daß Homosexualität möglicherweise auf traumatische Kindheitserfahrungen wie z.B. sexuellen Mißbrauch zurückzuführen ist.
Wird darüber diskutiert oder darf Homosexualität nur als natürlich angesehen werden?
Über eine Stellungnahme würde ich mich freuen.