Sonntag, 12. Juli 2009
Queer, wo strenger Glaube herrscht
Queer Middle East war das Thema einer Filmreihe am Freitag. Die Filme spielten in der Türkei, in Israel, in Indien, in Frankreich, England und den USA - Middle East? Abgesehen von der etwas unglücklichen Titelwahl war die Serie beeindruckend. Ich beginne mit der Weltpremiere von Me and Nuri Bala...
... einem Dokumentarfilm über Transvestit Esmeray in der Türkei. Als Einleitung träumerische Bilder aus dem ländlichen Kars-Gebiet. Im off, Esmeray: seit ich mit meiner Familie zerstritten bin, träume ich jede Nacht von meinem Dorf…. Regisseurin Melisa Önel dokumentiert Esmerays Leben in Istanbul. Esmeray verdient ihren Lebensunterhalt mit Miesmuschelverkauf und neuerdings auch mit Kabarett-Auftritten. Da erzählt sie, in heiterem Gesprächston, wie sie ihre sexuelle Identität entdeckte, wie die Routine täglicher Diskriminierungen begann, wie sie grundlos von Polizisten zusammengeschlagen und von Freiern vergewaltigt wurde. Sie bringt es hervor, als wären Ablehnung und Brutalität der ganz normale Alltag. Bestürzend.
Die beiden anderen Filme handeln von tief religiösen Menschen, deren Leben von Konflikten zwischen Religiosität und Homosexualität gezeichnet ist.Trembling before G-d von Sandi DuBowski (2001) ist eine Collage individueller Lebensgeschichten von Schwulen und Lesben, vor allem in den USA und Israel, die in orthodoxen und chassidischen jüdischen Traditionen aufgewachsen sind. Rabbiner dieser strengen Glaubensrichtungen sehen die „Überwindung“ von Homosexualität als eine Aufgabe, die Gott an Gläubige stellt. Für Viele bedeutet das lebenslange Selbstverleugnung in einer gesellschaftskonformen Ehe oder Enthaltsamkeit. Andere geben ihren Glauben auf oder schließen sich liberaleren Strömungen an. DuBowski berichtete bei der öffentlichen Diskussion Freitagabend, dass sein Film seit 2001 rund um die Welt mehr als achthundert Mal öffentlich vorgeführt wurde. Er sieht es als eine Mission, die Verzweiflung gläubiger Menschen zu lindern.
A Jihad for Love von Parvez Sharma (2007) lässt Moslems in Südafrika, Ägypten, Frankreich, England, dem Iran und der Türkei ähnlich anrührende Lebensgeschichten erzählen. Sharma zeigt Filmmaterial aus den ""Queen Boat"-Prozessen in Ägypten (2001): Männer in weißen Kutten und groben Papiermasken, in einen Käfig gedrängt, hören zu, wie sie zu jahrelangen Gefängnisstrafen verurteilt werden – weil zu einer Schwulenparty fuhren. Einer der Verurteilten zeigt seinen Koran – der habe ihn im Gefängnis am Leben gehalten. "Gott ist mit mir ". Sana, tief gläubige Muslima in Paris, lebt in Fernbeziehung mit einer ägyptischen Frau, Maryam. „Wenn ich nur einen Mann heiraten könnte. Ich habe Gott angefleht, mich normal zu machen.” Sana und Maryam überlegen eine Pilgerfahrt nach Mekka, um ihre sexuellen Bedürfnisse loszuwerden – aber Frauen dürfen nicht ohne männlichen Vormund in Saudi Arabien einreisen…. Und was in Gottes Namen ist normal? Laut Sharma wurde sein Film in 37 Ländern gezeigt, auch im indischen und pakistanischen Fernsehen. Zuschauer hätten berichtet, der Film habe sie am Selbstmord gehindert.
Diese Filme spenden nicht nur Trost für Menschen, die selbst in ähnlichen Dilemmata zwischen Religionsausübung und sexueller Identität leben. Zuschauer, die unbehelligt die gesellschaftliche Norm fortsetzen und die sich ihrer Mehrheitsprivilegien nicht bewusst sind, können hier viel lernen.
Die beiden anderen Filme handeln von tief religiösen Menschen, deren Leben von Konflikten zwischen Religiosität und Homosexualität gezeichnet ist.Trembling before G-d von Sandi DuBowski (2001) ist eine Collage individueller Lebensgeschichten von Schwulen und Lesben, vor allem in den USA und Israel, die in orthodoxen und chassidischen jüdischen Traditionen aufgewachsen sind. Rabbiner dieser strengen Glaubensrichtungen sehen die „Überwindung“ von Homosexualität als eine Aufgabe, die Gott an Gläubige stellt. Für Viele bedeutet das lebenslange Selbstverleugnung in einer gesellschaftskonformen Ehe oder Enthaltsamkeit. Andere geben ihren Glauben auf oder schließen sich liberaleren Strömungen an. DuBowski berichtete bei der öffentlichen Diskussion Freitagabend, dass sein Film seit 2001 rund um die Welt mehr als achthundert Mal öffentlich vorgeführt wurde. Er sieht es als eine Mission, die Verzweiflung gläubiger Menschen zu lindern.
A Jihad for Love von Parvez Sharma (2007) lässt Moslems in Südafrika, Ägypten, Frankreich, England, dem Iran und der Türkei ähnlich anrührende Lebensgeschichten erzählen. Sharma zeigt Filmmaterial aus den ""Queen Boat"-Prozessen in Ägypten (2001): Männer in weißen Kutten und groben Papiermasken, in einen Käfig gedrängt, hören zu, wie sie zu jahrelangen Gefängnisstrafen verurteilt werden – weil zu einer Schwulenparty fuhren. Einer der Verurteilten zeigt seinen Koran – der habe ihn im Gefängnis am Leben gehalten. "Gott ist mit mir ". Sana, tief gläubige Muslima in Paris, lebt in Fernbeziehung mit einer ägyptischen Frau, Maryam. „Wenn ich nur einen Mann heiraten könnte. Ich habe Gott angefleht, mich normal zu machen.” Sana und Maryam überlegen eine Pilgerfahrt nach Mekka, um ihre sexuellen Bedürfnisse loszuwerden – aber Frauen dürfen nicht ohne männlichen Vormund in Saudi Arabien einreisen…. Und was in Gottes Namen ist normal? Laut Sharma wurde sein Film in 37 Ländern gezeigt, auch im indischen und pakistanischen Fernsehen. Zuschauer hätten berichtet, der Film habe sie am Selbstmord gehindert.
Diese Filme spenden nicht nur Trost für Menschen, die selbst in ähnlichen Dilemmata zwischen Religionsausübung und sexueller Identität leben. Zuschauer, die unbehelligt die gesellschaftliche Norm fortsetzen und die sich ihrer Mehrheitsprivilegien nicht bewusst sind, können hier viel lernen.
Geschrieben von Michaela Raab
in Film
um
10:56
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Tags für diesen Artikel: film, gender happening, hate crimes, homophobie, lesben, love me gender, schwul, sexualisierte gewalt, trans*
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