
Dienstag, 7. Juli 2009
Blogreporterin Michaela Raab

Stadtführung auf Gender
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Bewegte Männer im letzten Jahrhundert
Forum Männer stellt sich die Aufgabe, "einen von Männerseite her dringenden Beitrag zum Projekt einer geschlechterdemokratischen Gesellschaft und zum Geschlechterdialog zu leisten". Was heißt Geschlechterdialog heute? Um welche Geschlechter geht es? Wer dialogiert mit wem? Wer wird hier implizit ausgeschlossen? Das gender-hochgebildete Publikum was not amused. Wo sind da queer identities? Wie ein Teilnehmer fragte, "wo fängt für euch der Mann an und wo hört er auf?". Spannend wurde es danach, bei informellen Diskussionen im Garten, wo sich die Moderatoren mutig weiterer Kritik und Diskussion stellte.
Pussy Faggot: kein Holzblasinstrument
Ja, und Pussy Faggot? Das ist eine der spielerisch-differenzierten Kategorien, womit sich Queers in den USA auf einem offenen Kontinuum der Sexualität definieren. Wer eine Vulva hat, sich als Mann fühlt und Männer liebt ist - hetero oder homo? Mann oder Frau? Pussy Faggot! Nun muss das nicht Jede(r) wissen: als ein Teilnehmer den Faggot als Holzblasinstrument las, entstand ein bezaubernd schräges, schlüpfriges, suchendes Stück. Vive la poésie!
walk me gender?
peace full ____
Militär und Geschlechterverhältnisse in Ost und Westdeutschland
Gitti Henschel moderiert:
Prof. Dr. Christine Eifler
Prof. Dr. Ruth Seifert
Dr. Klaus Naumann
Die militärische Formierung der zwei Gesellschaften, in denen 60 Jahre lang keine lebensweltliche Erfahrung mit Krieg (Naumann) gemacht werden mußte, steht am Anfang:
Wo, so Eifler, "der erste deutsche Friedensstaat" den "Kämpfer der Revolution" im Aufbau des Sozialismus, mit selbstloser Kameradin an der Seite, per Dekret Frieden schaffen läßt - wäre da nicht der Imperialismus,
verbietet im Land, wo der Kriegsfall verfassungsmässig nicht vorgesehen ist,
die wesensmässige Bestimmung der Frauen (Seifert) ihr Töten.
Derart sozialisiert frage ich mich, wie der (ehemals alleinige?!) "Verteidigungs- oder Bündnisfall" in Form des heute "helfenden, rettenden, schützenden", "bewaffneten Sozialarbeiters" offensiv noch in Friedens-Täterschaft umgemünzt werden kann. Statt gefragter zivilrechtlicher "Polyvalenzen" der Streitkräfte würde ja manchmal gern, sehnsüchtig vereinfachend, der "Grauzone"das so genannte "real thing" des Krieges vorgezogen? Auf Augenhöhe eines afghanischen Dorfvorstands zieht dabei der "Vater aller Dinge" (Heraklit) doch nur anti-patriarchalen Gegenschlag nach sich... Der Tanz eines sufistischen "Sohnes" wär interkulturell womöglich angemessener: nämlich friedfertig.
Erst einmal bestätigt wurde dabei die anglo-eurozentrische (Gegen)-Schlagkraft
in der dekonstruktivistischen Aversion vis-á-vis "positiver Eigenschaften" im WORKSHOP MännerLeben im GenderDschungel mit Andreas Goosses undKlaus Schwerma.
Letzterer betonte den Fortschritt des
notwendigen Zulassens von Verunsicherung ! ohne agressive Abwehr !von Männlichkeit für eine Weiterentwicklung. Und interessant bleibt doch, was mensch vom menschen erwartet:
Die 200 Mann starke Männerbewegung im FORUM ließe sich gesellschaftspolitisch betrachten als eine Friedensbewegung,
welche, psychologisch ansetzend, v.a. in der Jungen-Arbeit, endlich auch Sorge und Erziehungsarbeit leistet.
Also: Alle Kriegsdienstverweigerer als Zivi-Kompetente "an die Front"!?
Die verpassten Chancen von 1989
Gesetzesrecht versus Lebensrealität
- Wer von Ihnen bezeichnet sich als Frau?
- Wer von Ihnen bezeichnet sich als Mann?
- Und wer von Ihnen weder als Frau noch als Mann?
Die Tatsache, dass diese Fragen überhaupt gestellt werden (müssen), zeigt die Notwendigkeit des Gender Happenings und damit verbunden die Förderung der Auseinandersetzung mit Geschlecht und Geschlechterpolitiken als Zielsetzung der Organisatoren.
Die Frage, ob Mann oder Frau ist jedoch in einem Bereich nur allzu starr und dazu noch mit enormen Konsequenzen behaftet. Die Rede ist vom (verfassungs)rechtlichen Blick auf das Geschlecht, so dass es nicht wundert, dass gleich zwei Veranstaltungen am ersten Tag dazu angeboten wurden. In "Vom Grundgesetz (GG) zum Geschlechtergerechten Grundgesetz (GGG)" diskutierten Eva Kocher, Christel Riedel und Hans-Christian Ströbele wie die Verfassung zur Erreichung des in der Überschrift genannten Ziels umgeschrieben werden könnte. In der zweiten gaben die Referenten Julia Ehrt, Adrian de Silva, Christian Schenk und Günter Dvorek zum Thema "Queere Lebensweisen - in LpartG und TransG" tiefe Einblicke in das Transsexuellenrecht und bewiesen mit ihren Ausführungen einmal mehr, wie sehr das geltende Recht aus den Fugen geraten kann, wenn Menschen leben, ganz so wie sie sind. Auch wenn die eine Veranstaltung als rechtliche Fundierung das Grundgesetz, die andere hingegen das einfache Recht und damit das Transsexuellengesetz heranzieht, so gehören beide unweigerlich zusammen.
Der Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben fernab vom binären Geschlechterverständnis setzt eine Anerkennung vielfältiger Lebensweisen auf der gesellschaftlichen Bedeutungsebene voraus. Das Grundgesetz als rechtliche und politische Grundordnung unserer Gesellschaft müsse deshalb, so Hans-Christian Ströbele, das Fortschrittliche sein.
Begriff der Ehe nicht zu reparieren
Der in Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes verwendete Begriff der Ehe sei nicht mehr 'zu reparieren', andere Gemeinschaften müssten ebenfalls in den Verfassungsrang erhoben werden, weshalb Ströbele an dieser Stelle Regelungsbedarf sieht. Aber welche Art von Gemeinschaften sollen in welcher Weise geschützt werden? Diese Frage stellte daraufhin Eva Kocher, die sodann über jegliche Festschreibungen hinaus argumentierte und unter anderem das Spannungsverhältnis zu Artikel 3 am Beispiel des Ehegattensplittings aufzeigte.
Artikel 3 Absatz 3 - Sexuelle Identität
Artikel 3 spielte ebenso eine Rolle in der Diskussion um "Queere Lebensweisen". Die Erweiterung des Absatz 3 um das Merkmal der sexuellen Identität sei mit Blick auf die von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries geäußerte Forderung Lebenspartner in Artikel 6 aufzunehmen insbesondere für Transsexuelle, Intersexuelle und nicht verpartnerte Menschen, die in gleichgeschlechtlichen Beziehungen leben von besonderer Bedeutung, aber auch insgesamt ein Zeichen der Anerkennung des Gesetzgebers an die Gesellschaft.
Transsexuellengesetz
Der inhaltliche Schwerpunkt wurde in der zweiten Veranstaltung aber nicht auf das Grundgesetz, sondern auf die Regelungen des Transsexuellengesetzes gelegt. Ein Gesetz, was aus 12 Bestimmungen besteht von denen seit Inkrafttreten am 1. Januar 1981 schon insgesamt 5 Normen durch das Bundesverfassungsgericht zuletzt im Mai 2008 für verfassungswidrig erklärt wurden. Der Bundestag sah sich daraufhin gezwungen zu handeln, allerdings ohne eine umfassende Reform des Gesetzes (ein Überblick über die Forderungen zur umfassenden Reform des TSG -> hier) zu beschließen. Es wurde lediglich die Norm gestrichen, die den Ehescheidungszwang im Fall eines 80 Jahre alten Mannes vorsah, der seit über 56 Jahren verheiratet ist. Er fühlte schon seit längerem Unstimmigkeiten mit sich und seiner männlichen Geschlechtsidentität und lässt im Jahr 2002, nach der er/sie seit 2001 einen Frauennamen trägt, eine Geschlechtsumwandlung vornehmen. Ihre Ehefrau unterstützt sie und erklärt, dass die Beziehung intakt sei. Dass diese Geschichte nicht nur ein weiterer Beweis dafür ist, dass Liebe jenseits von Äußerlichkeiten und Geschlechterfragen existiert, sondern darüber hinaus auch (ein weiteres Mal) das Transsexuellengesetz und die Ehe als eine Verbindung zwischen Mann und Frau in Frage stellt, zeigt die am 27. Mai 2008 ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Ehescheidungszwang für unverhältnismäßig erklärt wurde.
Diese und noch andere Entscheidungen wurden angesprochen und erläutert, aktuelle Probleme von Transsexuellen in Anwendung des geltenden Rechts aufgezeigt.
Gender is happening!
JuristInnen zum Reiten der heiligen Kuh gesucht
Arikel 3 (3):Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Antje Hornscheidt, Professorin für Gender Studies und skandinavistische Linguistik am Zentrum für Transdisziplinäre Geschlechterstudien, interpretiert diesen Textabschnitt dahingehend, dass hier Zuschreibungen gemacht werden, derart, dass jede_r ein Geschlecht hat, jede_r eine Herkunft, jede_r eine Rasse, etc. Besonders der Begriff "Rasse" wird von ihr kritisch hervorgehoben. Von einer der Teilnehmer_innen wird eingeworfen, dass dieser Sprachgebrauch den historischen Zusammenhängen geschuldet sei. Das wird jedoch als ausreichendes Argument gegen eine Änderung des Sprachgebrauchs wie in dem obigen Beispiel abgewiesen. Besonders problematisch zeigt sich die Verwendung des Begriffs "Rasse" im Grundgesetz, durch seine weitere Verwendung im AGG. Im Kommentar von Christian Oberwetter www.oberwetter-olfen.de/upload/pdf/aggkommentar1.pdf zum AGG wird deutlich, dass dieser Sprachgebrauch nicht nur ein Problem deutscher Geschichte und einer Eigenheit der deutschen Sprache geschuldet ist, sondern dass die sprachliche Markierung des Anderen auch zum Schutz vor Diskriminierung ein eher globales Merkmal von gängigem Sprachgebrauch ist. "JuristInnen zum Reiten der heiligen Kuh gesucht" vollständig lesen »
Der Buddha aus der Vorstadt, Pippi & Captain Kirk
Was bedeutet Queer Reading, queeres Lesen, und welche Medien eignen sich dafür besonders? Darauf antworteten drei Wissenschaftlerinnen mit plakativen und amüsanten Beispielen aus Literatur, Jugendliteratur und Fernsehen. Dr. Elahe Haschemi Yekani (HU Berlin) belegt in Ihrer Analyse zweier Romane, dass Queer Reading nicht auf lesbische oder schwule Bekenntnisse der Figuren angewiesen ist. Hanif Kureishi fordert in seinem Text The Budda of Suburbia (1990) zum Queer Reading geradezu auf. Die ProtagonistInnen mit Nicht-Britischer Herkunft, Karim und Jammila, durchleben vielfältige sexuelle Biografien. Es ist - vor allem für Karim - selbstverständlich, beide Geschlechter zu begehren, ein Coming Out ist nicht notwendig. Sexuelle Liberalität und Expermentierfreudigkeit sind für die Figuren normal oder sie ergeben sich einfach. Sexuelle und identitätsstiftende Gesellschaftsnormen konfrontieren die beiden immer wieder mit der Herkunft ihrer Familien. Die zweite Analyse widmet sich dem Roman von Sadie Smith, White Teeth (2000). Hier findet Haschemi Yekani ein nicht so offensichtliches, queeres Moment in der Schilderung eines "männlichen Versagens", das mit einer "falschen", weil nicht-britischen Nationalität verknüpft ist. In diesem Buch funktioniert Komik erfolgreich als Vermittlungsmethode. Rassismus und Sexismus können in dem Text nur als offensichtlich bekloppte Haltungen gelesen werden. Für Haschemi Yekani kann Queer Reading nicht nur durch das Vorstellen nicht-heteronormativer Charaktere erfolgen, sondern auch im Verwischen von Identität durch Nationalität, Herkunft und geschlechtliche Identität. Die Geschichten über Pippi Langstrumpf, Astrid Lindgrens weltweit bekannte Heldin (1945), wurde von Dr. Susanne Hochreiter (Uni Wien) auf queere Lesbarkeit geprüft. Sie widmete sich den ersten beiden Pippi-Bänden und lässt den problematischen 3. Band, Pippi auf Takatuka-Land, bewusst beiseite. Der müsste dringend, wie es auch eine Zuhörerin fordert, auf rassistische Muster abgeklopft werden. Hochreiter stellt Pippi als "das Andere" vor, das in binärer Opposition zur Umwelt lebt. Der Ordnung stellt Pippi Chaos entgegen, sie hat keine fürsorglichen Eltern wie andere Kinder, lebt am Rand der Stadt und macht was sie will. Ihr Preis oder besser gesagt die Sanktionen sind Einsamkeit und mangelnde Fürsorge. Hochreiter stellt Pippi als Tomboy vor - nicht konform mit der traditionellen Geschlechterrolle; als Clown - Grenzgängerin zwischen den Welten, Übertreibung als Programm, Anarchistin auf Zeit; und schließlich als Superman - stärkster Mensch auf Erden mit Sinn für Gerechtigkeit. Die Tragik der Pippi-Erzählungen besteht in der Einsamkeit der Heldin und in der Tatsache, dass Pippi ihr Umfeld nicht verändern kann. Tommy und Annika behalten ihre stereotypen Jungen- und Mädchenrollen, wobei Hochreiter auch eine Textprobe gibt, die Annika und Pippi als Liebespaar ausweist. Svenja Derichs (Uni Potsdam) untersuchte Fernsehserien, die durch wiederholte Handlungsstränge besonders geeignet sind, queere Inhalte einem breiten Publikum zu vermitteln. "Das Serielle ist besonders geeignet, um Widerständisches aufzumachen". In Startrek geschieht dies eher unbewusst, wenn etwa Kirk und Spok sich in einer Abschiedsszene ewige Freundschaft schwören und der sonst emotionslose Vulkanier Gefühle für den Captain zeigt. Offensiver gehen Serien wie Torchwood mit mit queeren Liebesszenen um. Der Held der SciFi-Serie ist schwul und darf Männer mit Leidenschaft küssen. Lesbisches und schwules Begehren wird in dieser Serie beiläufig, aber sehr explizit gezeigt und damit als lebensreale Handlung etabliert. Derichs weist darauf hin, dass der Kuss im Film eine besondere Aussagekraft besitzt und sexuelle Praktiken gut visualisieren kann. Sie fordert auf, dass es beim Queer Reading keine Vorgabe geben sollte, wie eine Geschichte zu sein hat und dass Erwartungshaltungen zurückgenommen werden sollten, um sich die nötige Offenheit zu bewahren. Das Genre SciFi erleichtert Queer Reading, da "Utopisches" hier ohnehin erwartet wird.
Susanne Haslinger
Greift Trans* dem Sittengesetz in den Schritt? Aber nein.
Im Jahr 1957 wurde mit dem Sittengesetz der Fortbestand des Schwule kriminalisierenden §175 legitimiert, und mit dem Sittengesetz würden manche Politiker_innen auch heute wedeln, müssten sie ein Argument finden, wieso ein Trans*-Mensch „dauernd fortpflanzungsunfähig“ sein muss, ehe der Staat seine Geschlechtsangleichung anerkennt. So sieht das Referentin Julia Ehrt, Vorstand im Berliner Projekt TrIQ (TransInterQueer e.V.) im Gender-Happening-Panel „Queere Lebensweisen – im Transsexuellengesetz (TSG)“. Hauptsache, so mancherorts die Devise, keine Bilder von schwangeren Männern ins Weltbild integrieren zu müssen - auch wenn es völlig unverhältnismäßig sei, jährlich „Tausende in die Sterilisation zu zwingen“, um einzelne Schwangerschaften von Transmännern oder Zeugungen durch Transfrauen zu verhindern.
Überhaupt, die Auflagen, mit denen sich Trans*-Menschen seit den Anfängen des TSG 1981 konfrontiert sehen: Allein zur Vornamensänderung werden zwei psychiatrische Gutachten, eine richterliche Entscheidung, mehrmonatige Wartezeit verlangt. „Wieso dieser Aufwand?“, fragt Christian Schenk, ehemals Mitglied des Deutschen Bundestags und versierter Fachmann für Trans*-Rechte. „Als würden Trans*-Menschen besonderen Schutzes vor sich selber bedürfen.“ Für den fühle sich der Staat schließlich auch nicht bei anderen Personengruppen zuständig. „Trans* kann nicht diagnostiziert werden, jedes Gutachten ist nichts als Kaffeesatzleserei“, so klingt das bei ihm, wenn medizinische Pathologisierung außer Gefecht gesetzt wird.
Trans*-Menschen vorbehaltlos selbstbestimmt, ihre Grundrechte gewährt – auf europäischer Ebene ist dies das erklärte Ziel von Thomas Hammarberg, Menschenrechtskommissar des Europarats, der dem Deutschen Bundestag in seiner Entschlossenheit, Trans*-Menschen ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit zugewähren, weit voraus ist. Und auch das Bundesverfassungsgericht wird nicht müde, den Reformbedarf des TSG zu fordern.
Schenks Vorschlag: man möge es gleich ganz abzuschaffen und stattdessen eine einfache Regelung zur Vornamensänderung einrichten.
Julia Ehrt geht davon aus, dass Trans* im Lauf der nächsten Jahre vom ICD, der internationalen Klassifikation der Krankheiten verschwindet – und appelliert an die Politik, diesen Aspekt in der politischen Arbeit zu berücksichtigen. Frankreich macht es vor und will Trans* nicht mehr als „psychische Störung“ diffamieren -und trotzdem eine Lücke schaffen, um Trans*-Menschen ihre mitunter lebensnotwendigen geschlechtsangleichenden Operationen finanziell zu ermöglichen.
Für Thomas Birk, lesben- und schwulenpolitischer Sprecher der bündnisgrünen Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, ist es an der Zeit, dass sich Schwule und Lesben solidarisieren: „Jahrelang liefen Trans*-Menschen am Ende von Demos für Homo-Rechte mit, jetzt ist es Zeit für Solidarität mit ihren Belangen.“
Moderator Günter Dworek, Mitglied im Bundesvorstand des LSVD (Lesben- und Schwulenverband Deutschland) gehört wie Birk zu den Vorkämpfern für eine Ergänzung des Grundgesetz-Artikels 3 um „sexuelle Identität“, aufgrund derer niemand mehr zu benachteiligen sei – eben so, wie es die europäische Grundrechte-Charta und diverse Landesverfassungen bereits vormachen.
Weg vom Fraktionszwang, hin zur Öffnung des politischen Dialogs über die Optimierung des TSG über Parteigrenzen hinweg: dafür plädiert Adrian de Silva, Doktorand zu Trans*-Recht an der HU Berlin, der das TSG kritisch dem englischen „Gender Recognition Act“ gegenüber stellte – und weg von stillen Übereinkommen hin zur gesamtgesellschaftlichen Aufklärung über Trans*.
Und so werden vielleicht schon in naher Zukunft selbst konservative Abgeordnete ein Einsehen darin haben, dass anstelle eines kryptisch-modrigen „Sittengesetzes“ die Lebensrealität von Trans*-Menschen den Vorrang haben sollte – und das TSG deren Bedürfnissen entsprechen muss.
Der Autor Leo Y. Wild (*1975) ist freier Journalist (FAZ, Spiegel Online u.a.), Dokumentarfilmer und Filmkurator.
"Wir sind zu einer Partei geworden"
Als selbsternannte „personifizierte Frauenbewegung“ unterschrieb Christa Nickels damals als eine der Ersten das Müttermanifest, welches 1987 veröffentlicht wurde, und beteiligte sich intensiv an der kontroversen Diskussion um das Abtreibungsgesetz §218. Nickels, die sich als Mutter zweier Kinder und bekennende Katholikin stets als zwischen den Stühlen sitzend bezeichnet, wies mehrmals im Laufe des Gesprächs, aber vor allem in Bezug auf die Emanzipation, auf die Wichtigkeit hin, Konflikte auszuhalten und gesprächsfähig zu bleiben. So sei das Rotationsprinzip, das 1983 mit den Grünen in den Bundestag einzog, und auch die Frauenfraktion kein Modell für die Zukunft geblieben, aber ein entscheidender Schritt auf dem Weg, Machtverhältnisse neu zu überdenken und gewichten zu wollen, gab zustimmend Müller zu bedenken.
Die Realpolitik habe gezeigt, dass die Unterdrückung von Konkurrenzverhalten kein produktives Mittel zur Gestaltung unserer Gesellschaft sei. Wichtig sei heute, unter Frauen offene Konkurrenz auszutragen und Verletzungen nicht zu scheuen. So läge es vor allem in der Verantwortung weiblicher Führungskräfte, die Kompetenz der Frauen zu fördern und dafür zu sorgen, dass ihre Unterrepräsentanz kontinuierlich aufgehoben wird. Hierarchie fördere den Wettbewerbswillen, so Müller weiter. Keine reglementierte, sondern eine natürliche Rotation sei dabei von Bedeutung. Hängen geblieben ist Christa Nickels abschließender Satz: „Die richtigen Leute am richtigen Ort zur richtigen Zeit sind zwar noch keine Revolution, können aber enorm viel bewegen.“ Ein Aufforderung an uns alle, nicht nur Verantwortung für unsere Verletzlichkeit zu tragen, sondern auch für unser Können und Solidarität zu üben durch aufmerksames Hinhören und aufrichtiges Handeln. Angekommen sind wir noch lange nicht.
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Ungleichzeitig in die Einheit - Erfahrungen
Prof. Hildegard Maria Nickel
Prof. Dr. Tina Thürmer-Rohr
Carola von Braun (ehem. MdA/FDP)
Petra Bläss-? (Ex-Vizepräs. des BT)
Mod. Anne Ulrich
Ulrich moderiert das Gespräch am Abend an. Auch mit den Öffentlichkeitstheoretikern Alexander Kluge und Oskar Negt. Nach "Öffentlichkeit und Erfahrung" (1972), "Geschichte und Eigensinn" (1981) schärften sie in "Maßverhältnisse des Politischen" (1992) einen Begriff, der Politik nicht als "Substanz" versteht, sondern als Form:
jedes "alltägliche Gefühl" kann eine "Intensität" gewinnen, die es politikfähig macht. Emanzipatorische Politik entsteht nur dann, wenn selbstregulierende Organisationsformen ein Maß zueinander finden.
Zum nicht Zusammenfinden in ´vereinter Frauenpower´ vor 20 Jahre finden an diesem Abend eingestandene Enttäuschungen und befreiende Einsichten zur ehemals diversen Agenda eine Form:
Angst und Aufbruch (Bläss, Nickel) hatten spätestens zwischen Sept. 89 und März 90 Frauen aus der DDR über alle Nischen-Grenzen hinweg vernetzt (Bläss); der Unabhängige Frauenverband (UFV) forderte in (so Nickel) "friedlich-revolutionärem" Schwung : "Ohne Frauen ist kein Staat zu machen", verfehlte aber ohne Rotation das erste lila Mandat. Die starke Westfrauenbewegung, die - mit ausgefeilter Herrschaftsanalyse und Staatskritik im Gepäck (Thürmer-Rohr) - sich "typisch deutsch" auf allen Ebenen gut institutionalisiert hatte (von Braun), sah sich zurückgestutzt. Sie schwieg zur Frage der Nation.
Dass diese hinter Ihr gelassen sein will, erweist sich in dem historisch-materialistisch angedrohten Gang zum Europäischen Gerichtshof: Frauen, deren (Renten-) Ansprüche durch Scheidung in oder auch nach der DDR im politischen System der alt-neuen Bundesrepublik untergehen, fordern ihr Recht hier auf Erden, gegen die biologistisch "tickende Uhr".
Das Vermittlungsproblem, wie sich Erfahrungs- und Wissensbestände von Staatsbürger_innen nicht zuletzt mit Migrationshintergrund "unter Handlungsdruck" in der Krise zu Ein- bzw. Ausschliessungen solcher Art verhalten mögen, bleibt eine Frage von Ressourcen-Verteilung in der Form, d.h. Politik als Handeln ins Ungewisse.
(es folgen später: video-dok inputs und video-dok diskussion)
"Wir haben uns gegenseitig einiges zugemutet"
""Wir haben uns gegenseitig einiges..." vollständig lesen »