Dienstag, 7. Juli 2009
Die verpassten Chancen von 1989
Neue Gesichter, viele Ideen und interessante Diskussionen. Dazwischen Berlins lange Straßen, die die Kölner Beine nicht gewohnt sind. Der erste Tag des Gender-Kongress war spannend und anstrengend zugleich, doch als Historikerin musste ich die letzte Runde doch noch mitnehmen: Um 19.30 Uhr startete das „Frauenpolitische Gespräch“, das den etwas umständlichen Untertitel trägt: „1989-2009. Ungleichzeitig in die Einheit – Erfahrungen“. Die Müdigkeit verflog relativ rasch, denn auf dem Podium saßen vier energetische, interessante Frauen – Wissenschaftlerinnen und Politikerinnen – die ihre persönlichen Erfahrungen mit der sogenannten „Wende“ beschrieben. Zwei von ihnen – Hildegard Nickel und Petra Bläss-Rafajlovski - waren im 09. November 1989 in Ostberlin gewesen, die anderen beiden – Christina Thürmer-Rohr und Carola von Braun – in Westberlin. Zum Glück verharrte das Gespräch nicht bei einem reflektierenden Erzählen nach dem Muster „Wo waren Sie, als die Mauerfall fiel?“ sondern entwickelte sich zur Diskussion über die Auswirkungen, die das Ende der DDR und die Wiedervereinigung auf die Frauenbewegung(en) in West- und Ostdeutschland gehabt hatten.
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Geschrieben von Sabrina
in Gender Happening, Panel
um
15:11
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Tags für diesen Artikel: feminismus, frauen, frauenbewegung, friedliche revolution, Gender Happening, geschichte, gleichberechtigung, Panel, wende
Gesetzesrecht versus Lebensrealität
Zum Auftakt der "Love me Gender - Gender is Happening" Veranstaltungswoche wurden den zahlreich erschienenen Teilnehmern drei Fragen gestellt:
Die Tatsache, dass diese Fragen überhaupt gestellt werden (müssen), zeigt die Notwendigkeit des Gender Happenings und damit verbunden die Förderung der Auseinandersetzung mit Geschlecht und Geschlechterpolitiken als Zielsetzung der Organisatoren.
Die Frage, ob Mann oder Frau ist jedoch in einem Bereich nur allzu starr und dazu noch mit enormen Konsequenzen behaftet. Die Rede ist vom (verfassungs)rechtlichen Blick auf das Geschlecht, so dass es nicht wundert, dass gleich zwei Veranstaltungen am ersten Tag dazu angeboten wurden. In "Vom Grundgesetz (GG) zum Geschlechtergerechten Grundgesetz (GGG)" diskutierten Eva Kocher, Christel Riedel und Hans-Christian Ströbele wie die Verfassung zur Erreichung des in der Überschrift genannten Ziels umgeschrieben werden könnte. In der zweiten gaben die Referenten Julia Ehrt, Adrian de Silva, Christian Schenk und Günter Dvorek zum Thema "Queere Lebensweisen - in LpartG und TransG" tiefe Einblicke in das Transsexuellenrecht und bewiesen mit ihren Ausführungen einmal mehr, wie sehr das geltende Recht aus den Fugen geraten kann, wenn Menschen leben, ganz so wie sie sind. Auch wenn die eine Veranstaltung als rechtliche Fundierung das Grundgesetz, die andere hingegen das einfache Recht und damit das Transsexuellengesetz heranzieht, so gehören beide unweigerlich zusammen.
Der Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben fernab vom binären Geschlechterverständnis setzt eine Anerkennung vielfältiger Lebensweisen auf der gesellschaftlichen Bedeutungsebene voraus. Das Grundgesetz als rechtliche und politische Grundordnung unserer Gesellschaft müsse deshalb, so Hans-Christian Ströbele, das Fortschrittliche sein.
Begriff der Ehe nicht zu reparieren
Der in Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes verwendete Begriff der Ehe sei nicht mehr 'zu reparieren', andere Gemeinschaften müssten ebenfalls in den Verfassungsrang erhoben werden, weshalb Ströbele an dieser Stelle Regelungsbedarf sieht. Aber welche Art von Gemeinschaften sollen in welcher Weise geschützt werden? Diese Frage stellte daraufhin Eva Kocher, die sodann über jegliche Festschreibungen hinaus argumentierte und unter anderem das Spannungsverhältnis zu Artikel 3 am Beispiel des Ehegattensplittings aufzeigte.
Artikel 3 Absatz 3 - Sexuelle Identität
Artikel 3 spielte ebenso eine Rolle in der Diskussion um "Queere Lebensweisen". Die Erweiterung des Absatz 3 um das Merkmal der sexuellen Identität sei mit Blick auf die von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries geäußerte Forderung Lebenspartner in Artikel 6 aufzunehmen insbesondere für Transsexuelle, Intersexuelle und nicht verpartnerte Menschen, die in gleichgeschlechtlichen Beziehungen leben von besonderer Bedeutung, aber auch insgesamt ein Zeichen der Anerkennung des Gesetzgebers an die Gesellschaft.
Transsexuellengesetz
Der inhaltliche Schwerpunkt wurde in der zweiten Veranstaltung aber nicht auf das Grundgesetz, sondern auf die Regelungen des Transsexuellengesetzes gelegt. Ein Gesetz, was aus 12 Bestimmungen besteht von denen seit Inkrafttreten am 1. Januar 1981 schon insgesamt 5 Normen durch das Bundesverfassungsgericht zuletzt im Mai 2008 für verfassungswidrig erklärt wurden. Der Bundestag sah sich daraufhin gezwungen zu handeln, allerdings ohne eine umfassende Reform des Gesetzes (ein Überblick über die Forderungen zur umfassenden Reform des TSG -> hier) zu beschließen. Es wurde lediglich die Norm gestrichen, die den Ehescheidungszwang im Fall eines 80 Jahre alten Mannes vorsah, der seit über 56 Jahren verheiratet ist. Er fühlte schon seit längerem Unstimmigkeiten mit sich und seiner männlichen Geschlechtsidentität und lässt im Jahr 2002, nach der er/sie seit 2001 einen Frauennamen trägt, eine Geschlechtsumwandlung vornehmen. Ihre Ehefrau unterstützt sie und erklärt, dass die Beziehung intakt sei. Dass diese Geschichte nicht nur ein weiterer Beweis dafür ist, dass Liebe jenseits von Äußerlichkeiten und Geschlechterfragen existiert, sondern darüber hinaus auch (ein weiteres Mal) das Transsexuellengesetz und die Ehe als eine Verbindung zwischen Mann und Frau in Frage stellt, zeigt die am 27. Mai 2008 ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Ehescheidungszwang für unverhältnismäßig erklärt wurde.
Diese und noch andere Entscheidungen wurden angesprochen und erläutert, aktuelle Probleme von Transsexuellen in Anwendung des geltenden Rechts aufgezeigt.
Gender is happening!
- Wer von Ihnen bezeichnet sich als Frau?
- Wer von Ihnen bezeichnet sich als Mann?
- Und wer von Ihnen weder als Frau noch als Mann?
Die Tatsache, dass diese Fragen überhaupt gestellt werden (müssen), zeigt die Notwendigkeit des Gender Happenings und damit verbunden die Förderung der Auseinandersetzung mit Geschlecht und Geschlechterpolitiken als Zielsetzung der Organisatoren.
Die Frage, ob Mann oder Frau ist jedoch in einem Bereich nur allzu starr und dazu noch mit enormen Konsequenzen behaftet. Die Rede ist vom (verfassungs)rechtlichen Blick auf das Geschlecht, so dass es nicht wundert, dass gleich zwei Veranstaltungen am ersten Tag dazu angeboten wurden. In "Vom Grundgesetz (GG) zum Geschlechtergerechten Grundgesetz (GGG)" diskutierten Eva Kocher, Christel Riedel und Hans-Christian Ströbele wie die Verfassung zur Erreichung des in der Überschrift genannten Ziels umgeschrieben werden könnte. In der zweiten gaben die Referenten Julia Ehrt, Adrian de Silva, Christian Schenk und Günter Dvorek zum Thema "Queere Lebensweisen - in LpartG und TransG" tiefe Einblicke in das Transsexuellenrecht und bewiesen mit ihren Ausführungen einmal mehr, wie sehr das geltende Recht aus den Fugen geraten kann, wenn Menschen leben, ganz so wie sie sind. Auch wenn die eine Veranstaltung als rechtliche Fundierung das Grundgesetz, die andere hingegen das einfache Recht und damit das Transsexuellengesetz heranzieht, so gehören beide unweigerlich zusammen.
Der Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben fernab vom binären Geschlechterverständnis setzt eine Anerkennung vielfältiger Lebensweisen auf der gesellschaftlichen Bedeutungsebene voraus. Das Grundgesetz als rechtliche und politische Grundordnung unserer Gesellschaft müsse deshalb, so Hans-Christian Ströbele, das Fortschrittliche sein.
Begriff der Ehe nicht zu reparieren
Der in Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes verwendete Begriff der Ehe sei nicht mehr 'zu reparieren', andere Gemeinschaften müssten ebenfalls in den Verfassungsrang erhoben werden, weshalb Ströbele an dieser Stelle Regelungsbedarf sieht. Aber welche Art von Gemeinschaften sollen in welcher Weise geschützt werden? Diese Frage stellte daraufhin Eva Kocher, die sodann über jegliche Festschreibungen hinaus argumentierte und unter anderem das Spannungsverhältnis zu Artikel 3 am Beispiel des Ehegattensplittings aufzeigte.
Artikel 3 Absatz 3 - Sexuelle Identität
Artikel 3 spielte ebenso eine Rolle in der Diskussion um "Queere Lebensweisen". Die Erweiterung des Absatz 3 um das Merkmal der sexuellen Identität sei mit Blick auf die von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries geäußerte Forderung Lebenspartner in Artikel 6 aufzunehmen insbesondere für Transsexuelle, Intersexuelle und nicht verpartnerte Menschen, die in gleichgeschlechtlichen Beziehungen leben von besonderer Bedeutung, aber auch insgesamt ein Zeichen der Anerkennung des Gesetzgebers an die Gesellschaft.
Transsexuellengesetz
Der inhaltliche Schwerpunkt wurde in der zweiten Veranstaltung aber nicht auf das Grundgesetz, sondern auf die Regelungen des Transsexuellengesetzes gelegt. Ein Gesetz, was aus 12 Bestimmungen besteht von denen seit Inkrafttreten am 1. Januar 1981 schon insgesamt 5 Normen durch das Bundesverfassungsgericht zuletzt im Mai 2008 für verfassungswidrig erklärt wurden. Der Bundestag sah sich daraufhin gezwungen zu handeln, allerdings ohne eine umfassende Reform des Gesetzes (ein Überblick über die Forderungen zur umfassenden Reform des TSG -> hier) zu beschließen. Es wurde lediglich die Norm gestrichen, die den Ehescheidungszwang im Fall eines 80 Jahre alten Mannes vorsah, der seit über 56 Jahren verheiratet ist. Er fühlte schon seit längerem Unstimmigkeiten mit sich und seiner männlichen Geschlechtsidentität und lässt im Jahr 2002, nach der er/sie seit 2001 einen Frauennamen trägt, eine Geschlechtsumwandlung vornehmen. Ihre Ehefrau unterstützt sie und erklärt, dass die Beziehung intakt sei. Dass diese Geschichte nicht nur ein weiterer Beweis dafür ist, dass Liebe jenseits von Äußerlichkeiten und Geschlechterfragen existiert, sondern darüber hinaus auch (ein weiteres Mal) das Transsexuellengesetz und die Ehe als eine Verbindung zwischen Mann und Frau in Frage stellt, zeigt die am 27. Mai 2008 ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Ehescheidungszwang für unverhältnismäßig erklärt wurde.
Diese und noch andere Entscheidungen wurden angesprochen und erläutert, aktuelle Probleme von Transsexuellen in Anwendung des geltenden Rechts aufgezeigt.
Gender is happening!
Geschrieben von sealegs
in Gender Happening, Panel
um
14:32
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Tags für diesen Artikel: gender, gender happening, grundgesetz, hans-christian ströbele, Panel, queer, trans*
Greift Trans* dem Sittengesetz in den Schritt? Aber nein.
Schuld an der gesetzlich legitimierten Misere von Trans*-Menschen hat das Sittengesetz. Das… was? Na, das Sittengesetz. Siehe Grundgesetz. Da taucht es plötzlich auf. In Artikel 2 (1), um genau zu sein: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“
Im Jahr 1957 wurde mit dem Sittengesetz der Fortbestand des Schwule kriminalisierenden §175 legitimiert, und mit dem Sittengesetz würden manche Politiker_innen auch heute wedeln, müssten sie ein Argument finden, wieso ein Trans*-Mensch „dauernd fortpflanzungsunfähig“ sein muss, ehe der Staat seine Geschlechtsangleichung anerkennt. So sieht das Referentin Julia Ehrt, Vorstand im Berliner Projekt TrIQ (TransInterQueer e.V.) im Gender-Happening-Panel „Queere Lebensweisen – im Transsexuellengesetz (TSG)“. Hauptsache, so mancherorts die Devise, keine Bilder von schwangeren Männern ins Weltbild integrieren zu müssen - auch wenn es völlig unverhältnismäßig sei, jährlich „Tausende in die Sterilisation zu zwingen“, um einzelne Schwangerschaften von Transmännern oder Zeugungen durch Transfrauen zu verhindern.
Überhaupt, die Auflagen, mit denen sich Trans*-Menschen seit den Anfängen des TSG 1981 konfrontiert sehen: Allein zur Vornamensänderung werden zwei psychiatrische Gutachten, eine richterliche Entscheidung, mehrmonatige Wartezeit verlangt. „Wieso dieser Aufwand?“, fragt Christian Schenk, ehemals Mitglied des Deutschen Bundestags und versierter Fachmann für Trans*-Rechte. „Als würden Trans*-Menschen besonderen Schutzes vor sich selber bedürfen.“ Für den fühle sich der Staat schließlich auch nicht bei anderen Personengruppen zuständig. „Trans* kann nicht diagnostiziert werden, jedes Gutachten ist nichts als Kaffeesatzleserei“, so klingt das bei ihm, wenn medizinische Pathologisierung außer Gefecht gesetzt wird.
Trans*-Menschen vorbehaltlos selbstbestimmt, ihre Grundrechte gewährt – auf europäischer Ebene ist dies das erklärte Ziel von Thomas Hammarberg, Menschenrechtskommissar des Europarats, der dem Deutschen Bundestag in seiner Entschlossenheit, Trans*-Menschen ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit zugewähren, weit voraus ist. Und auch das Bundesverfassungsgericht wird nicht müde, den Reformbedarf des TSG zu fordern.
Schenks Vorschlag: man möge es gleich ganz abzuschaffen und stattdessen eine einfache Regelung zur Vornamensänderung einrichten.
Julia Ehrt geht davon aus, dass Trans* im Lauf der nächsten Jahre vom ICD, der internationalen Klassifikation der Krankheiten verschwindet – und appelliert an die Politik, diesen Aspekt in der politischen Arbeit zu berücksichtigen. Frankreich macht es vor und will Trans* nicht mehr als „psychische Störung“ diffamieren -und trotzdem eine Lücke schaffen, um Trans*-Menschen ihre mitunter lebensnotwendigen geschlechtsangleichenden Operationen finanziell zu ermöglichen.
Für Thomas Birk, lesben- und schwulenpolitischer Sprecher der bündnisgrünen Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, ist es an der Zeit, dass sich Schwule und Lesben solidarisieren: „Jahrelang liefen Trans*-Menschen am Ende von Demos für Homo-Rechte mit, jetzt ist es Zeit für Solidarität mit ihren Belangen.“
Moderator Günter Dworek, Mitglied im Bundesvorstand des LSVD (Lesben- und Schwulenverband Deutschland) gehört wie Birk zu den Vorkämpfern für eine Ergänzung des Grundgesetz-Artikels 3 um „sexuelle Identität“, aufgrund derer niemand mehr zu benachteiligen sei – eben so, wie es die europäische Grundrechte-Charta und diverse Landesverfassungen bereits vormachen.
Weg vom Fraktionszwang, hin zur Öffnung des politischen Dialogs über die Optimierung des TSG über Parteigrenzen hinweg: dafür plädiert Adrian de Silva, Doktorand zu Trans*-Recht an der HU Berlin, der das TSG kritisch dem englischen „Gender Recognition Act“ gegenüber stellte – und weg von stillen Übereinkommen hin zur gesamtgesellschaftlichen Aufklärung über Trans*.
Und so werden vielleicht schon in naher Zukunft selbst konservative Abgeordnete ein Einsehen darin haben, dass anstelle eines kryptisch-modrigen „Sittengesetzes“ die Lebensrealität von Trans*-Menschen den Vorrang haben sollte – und das TSG deren Bedürfnissen entsprechen muss.
Der Autor Leo Y. Wild (*1975) ist freier Journalist (FAZ, Spiegel Online u.a.), Dokumentarfilmer und Filmkurator.
Im Jahr 1957 wurde mit dem Sittengesetz der Fortbestand des Schwule kriminalisierenden §175 legitimiert, und mit dem Sittengesetz würden manche Politiker_innen auch heute wedeln, müssten sie ein Argument finden, wieso ein Trans*-Mensch „dauernd fortpflanzungsunfähig“ sein muss, ehe der Staat seine Geschlechtsangleichung anerkennt. So sieht das Referentin Julia Ehrt, Vorstand im Berliner Projekt TrIQ (TransInterQueer e.V.) im Gender-Happening-Panel „Queere Lebensweisen – im Transsexuellengesetz (TSG)“. Hauptsache, so mancherorts die Devise, keine Bilder von schwangeren Männern ins Weltbild integrieren zu müssen - auch wenn es völlig unverhältnismäßig sei, jährlich „Tausende in die Sterilisation zu zwingen“, um einzelne Schwangerschaften von Transmännern oder Zeugungen durch Transfrauen zu verhindern.
Überhaupt, die Auflagen, mit denen sich Trans*-Menschen seit den Anfängen des TSG 1981 konfrontiert sehen: Allein zur Vornamensänderung werden zwei psychiatrische Gutachten, eine richterliche Entscheidung, mehrmonatige Wartezeit verlangt. „Wieso dieser Aufwand?“, fragt Christian Schenk, ehemals Mitglied des Deutschen Bundestags und versierter Fachmann für Trans*-Rechte. „Als würden Trans*-Menschen besonderen Schutzes vor sich selber bedürfen.“ Für den fühle sich der Staat schließlich auch nicht bei anderen Personengruppen zuständig. „Trans* kann nicht diagnostiziert werden, jedes Gutachten ist nichts als Kaffeesatzleserei“, so klingt das bei ihm, wenn medizinische Pathologisierung außer Gefecht gesetzt wird.
Trans*-Menschen vorbehaltlos selbstbestimmt, ihre Grundrechte gewährt – auf europäischer Ebene ist dies das erklärte Ziel von Thomas Hammarberg, Menschenrechtskommissar des Europarats, der dem Deutschen Bundestag in seiner Entschlossenheit, Trans*-Menschen ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit zugewähren, weit voraus ist. Und auch das Bundesverfassungsgericht wird nicht müde, den Reformbedarf des TSG zu fordern.
Schenks Vorschlag: man möge es gleich ganz abzuschaffen und stattdessen eine einfache Regelung zur Vornamensänderung einrichten.
Julia Ehrt geht davon aus, dass Trans* im Lauf der nächsten Jahre vom ICD, der internationalen Klassifikation der Krankheiten verschwindet – und appelliert an die Politik, diesen Aspekt in der politischen Arbeit zu berücksichtigen. Frankreich macht es vor und will Trans* nicht mehr als „psychische Störung“ diffamieren -und trotzdem eine Lücke schaffen, um Trans*-Menschen ihre mitunter lebensnotwendigen geschlechtsangleichenden Operationen finanziell zu ermöglichen.
Für Thomas Birk, lesben- und schwulenpolitischer Sprecher der bündnisgrünen Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, ist es an der Zeit, dass sich Schwule und Lesben solidarisieren: „Jahrelang liefen Trans*-Menschen am Ende von Demos für Homo-Rechte mit, jetzt ist es Zeit für Solidarität mit ihren Belangen.“
Moderator Günter Dworek, Mitglied im Bundesvorstand des LSVD (Lesben- und Schwulenverband Deutschland) gehört wie Birk zu den Vorkämpfern für eine Ergänzung des Grundgesetz-Artikels 3 um „sexuelle Identität“, aufgrund derer niemand mehr zu benachteiligen sei – eben so, wie es die europäische Grundrechte-Charta und diverse Landesverfassungen bereits vormachen.
Weg vom Fraktionszwang, hin zur Öffnung des politischen Dialogs über die Optimierung des TSG über Parteigrenzen hinweg: dafür plädiert Adrian de Silva, Doktorand zu Trans*-Recht an der HU Berlin, der das TSG kritisch dem englischen „Gender Recognition Act“ gegenüber stellte – und weg von stillen Übereinkommen hin zur gesamtgesellschaftlichen Aufklärung über Trans*.
Und so werden vielleicht schon in naher Zukunft selbst konservative Abgeordnete ein Einsehen darin haben, dass anstelle eines kryptisch-modrigen „Sittengesetzes“ die Lebensrealität von Trans*-Menschen den Vorrang haben sollte – und das TSG deren Bedürfnissen entsprechen muss.
Der Autor Leo Y. Wild (*1975) ist freier Journalist (FAZ, Spiegel Online u.a.), Dokumentarfilmer und Filmkurator.
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Frauenpolitisches Gespräch 1989-2009
Ungleichzeitig in die Einheit - Erfahrungen
Prof. Hildegard Maria Nickel
Prof. Dr. Tina Thürmer-Rohr
Carola von Braun (ehem. MdA/FDP)
Petra Bläss-? (Ex-Vizepräs. des BT)
Mod. Anne Ulrich
Ulrich moderiert das Gespräch am Abend an. Auch mit den Öffentlichkeitstheoretikern Alexander Kluge und Oskar Negt. Nach "Öffentlichkeit und Erfahrung" (1972), "Geschichte und Eigensinn" (1981) schärften sie in "Maßverhältnisse des Politischen" (1992) einen Begriff, der Politik nicht als "Substanz" versteht, sondern als Form:
jedes "alltägliche Gefühl" kann eine "Intensität" gewinnen, die es politikfähig macht. Emanzipatorische Politik entsteht nur dann, wenn selbstregulierende Organisationsformen ein Maß zueinander finden.
Zum nicht Zusammenfinden in ´vereinter Frauenpower´ vor 20 Jahre finden an diesem Abend eingestandene Enttäuschungen und befreiende Einsichten zur ehemals diversen Agenda eine Form:
Angst und Aufbruch (Bläss, Nickel) hatten spätestens zwischen Sept. 89 und März 90 Frauen aus der DDR über alle Nischen-Grenzen hinweg vernetzt (Bläss); der Unabhängige Frauenverband (UFV) forderte in (so Nickel) "friedlich-revolutionärem" Schwung : "Ohne Frauen ist kein Staat zu machen", verfehlte aber ohne Rotation das erste lila Mandat. Die starke Westfrauenbewegung, die - mit ausgefeilter Herrschaftsanalyse und Staatskritik im Gepäck (Thürmer-Rohr) - sich "typisch deutsch" auf allen Ebenen gut institutionalisiert hatte (von Braun), sah sich zurückgestutzt. Sie schwieg zur Frage der Nation.
Dass diese hinter Ihr gelassen sein will, erweist sich in dem historisch-materialistisch angedrohten Gang zum Europäischen Gerichtshof: Frauen, deren (Renten-) Ansprüche durch Scheidung in oder auch nach der DDR im politischen System der alt-neuen Bundesrepublik untergehen, fordern ihr Recht hier auf Erden, gegen die biologistisch "tickende Uhr".
Das Vermittlungsproblem, wie sich Erfahrungs- und Wissensbestände von Staatsbürger_innen nicht zuletzt mit Migrationshintergrund "unter Handlungsdruck" in der Krise zu Ein- bzw. Ausschliessungen solcher Art verhalten mögen, bleibt eine Frage von Ressourcen-Verteilung in der Form, d.h. Politik als Handeln ins Ungewisse.
(es folgen später: video-dok inputs und video-dok diskussion)
Ungleichzeitig in die Einheit - Erfahrungen
Prof. Hildegard Maria Nickel
Prof. Dr. Tina Thürmer-Rohr
Carola von Braun (ehem. MdA/FDP)
Petra Bläss-? (Ex-Vizepräs. des BT)
Mod. Anne Ulrich
Ulrich moderiert das Gespräch am Abend an. Auch mit den Öffentlichkeitstheoretikern Alexander Kluge und Oskar Negt. Nach "Öffentlichkeit und Erfahrung" (1972), "Geschichte und Eigensinn" (1981) schärften sie in "Maßverhältnisse des Politischen" (1992) einen Begriff, der Politik nicht als "Substanz" versteht, sondern als Form:
jedes "alltägliche Gefühl" kann eine "Intensität" gewinnen, die es politikfähig macht. Emanzipatorische Politik entsteht nur dann, wenn selbstregulierende Organisationsformen ein Maß zueinander finden.
Zum nicht Zusammenfinden in ´vereinter Frauenpower´ vor 20 Jahre finden an diesem Abend eingestandene Enttäuschungen und befreiende Einsichten zur ehemals diversen Agenda eine Form:
Angst und Aufbruch (Bläss, Nickel) hatten spätestens zwischen Sept. 89 und März 90 Frauen aus der DDR über alle Nischen-Grenzen hinweg vernetzt (Bläss); der Unabhängige Frauenverband (UFV) forderte in (so Nickel) "friedlich-revolutionärem" Schwung : "Ohne Frauen ist kein Staat zu machen", verfehlte aber ohne Rotation das erste lila Mandat. Die starke Westfrauenbewegung, die - mit ausgefeilter Herrschaftsanalyse und Staatskritik im Gepäck (Thürmer-Rohr) - sich "typisch deutsch" auf allen Ebenen gut institutionalisiert hatte (von Braun), sah sich zurückgestutzt. Sie schwieg zur Frage der Nation.
Dass diese hinter Ihr gelassen sein will, erweist sich in dem historisch-materialistisch angedrohten Gang zum Europäischen Gerichtshof: Frauen, deren (Renten-) Ansprüche durch Scheidung in oder auch nach der DDR im politischen System der alt-neuen Bundesrepublik untergehen, fordern ihr Recht hier auf Erden, gegen die biologistisch "tickende Uhr".
Das Vermittlungsproblem, wie sich Erfahrungs- und Wissensbestände von Staatsbürger_innen nicht zuletzt mit Migrationshintergrund "unter Handlungsdruck" in der Krise zu Ein- bzw. Ausschliessungen solcher Art verhalten mögen, bleibt eine Frage von Ressourcen-Verteilung in der Form, d.h. Politik als Handeln ins Ungewisse.
(es folgen später: video-dok inputs und video-dok diskussion)
Geschrieben von Frauke Helwes
in Gender Happening, Panel
um
02:44
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Tags für diesen Artikel: beeinträchtigung, feminismus, frauenbewegung, friedliche revolution, Gender Happening, geschichte, gleichberechtigung, globalisierung, homophobie, männer, nation, ost-west, Panel, rassismus, videoarbeiten, wende
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