Ein Bericht von Marie Friese zur Tagung am 16.03.2012, der Friedrich- Ebert- Stiftung :
„Gender Matters! Die Macht medialer Geschlechterbilder“
Am Freitag den 16.03. lud die Friedrich-Ebert Stiftung zu einer Tagung mit dem vielversprechenden Titel “Gender Matters! Die Macht medialer Geschlechterbilder“ ein. Schon die Angebote an verschiedenen Workshops, die zwischen dem Einführungsvortrag und der Abschlussdiskussion angeboten wurden, machten Lust auf einen Tagesausflug in die Welt der Medien – natürlich stets mit Genderbrille im Gepäck.
Diesen Gedanken teilten an diesem Tage viele Menschen, die trotz schönstem Frühlingswetter zahlreich in der Friedrich-Ebert-Stiftung eintrafen. „ Im Rahmen der Tagung möchten wir der Frage nachgehen, […], wo also das Potenzial für Veränderung und für alternative Entwürfe von Geschlechterbildern liegt“, so lautet ein Auszug des Einladungstextes der Tagung, die in Medienpartnerschaft/Kooperation mit dem Missy Magazine durchgeführt wurde.
Her mit den Alternativen!
Den Einstieg machte an diesem Tag Prof. Dr. Margreth Lüneborg, Professorin an der Freien Universität Berlin im Bereich Journalistik, die sich in den letzten Jahren u.a. in dem Projekt „Spitzenfrauen im Fokus der Medien“ beteiligte. In ihrem Vortrag über „Konstanz und Wandel von Frauen- und Männerbildern“ war der Fokus allgemeiner gefasst und konzentrierte sich auf Medien und ihre Rolle als Bühne für Geschlechterinszenierungen.
Medien liefern Geschlechterrollenskripte, zeigen den Betrachter_innen, was Mannsein und Frausein ausmacht, erläutert Prof. Dr. Lüneborg. Die dadurch produzierten Geschlechterbilder können als Identifikationsangebote gesehen werden, welche ebenfalls auf geschlechtergebundende Zuschreibungen, die außerhalb der Medienwelten existieren, zurückgreifen. Damit hebt Lüneborg hervor, dass Medien nicht ungebunden von ihrer Außenwelt agieren (können). Doch auch wenn sich mediale Geschlechterbilder an „realen“ Geschlechterbildern orientieren, so bedingen sie sich gegenseitig. Deswegen müssen sich auch Medien ihrer Macht und damit einhergehend ihrer Verantwortung von transportierten Geschlechterbildern bewusst werden. Prof. Dr. Lüneborg fordert: Ein medialer Wandel stünde an, der vielfältige Identifikationsangebote schafft. Ein Wandel, der Bilder und Rollen abbildet, die über die binäre Vorstellung von „der Mann“ und „die Frau“ hinausreichen.
Mit Vorsicht zu genießen
Wenn die Hälfte junger Mädchen heutzutage aber „Topmodel“ als ihren Berufswunsch angeben, so ist dies ein klares Zeichen dafür, dass es an alternativen Identifikationsangeboten fehlt. Sendungen wie „Germanys next Topmodel“ reproduzieren weibliche Geschlechtersterotype, die sicherlich ein Teil heutiger Realität von gelebten Geschlechtervorstellungen darstellt, denen es jedoch an einem Gegenpol fehlt, um diese Geschlechterbilder zu relativieren und abzuschwächen. Und so werden die Medien und Medienmacher_innen ohne alternative Vorbilder weiterhin stereotype Darstellungen als erstrebenswerte Ideale von Männern und Frauen aussehen lassen.
Nach dem Einführungsworkshop konnte mensch sich zwischen zwei Workshops mit den Themen „Darstellung in der Journalistischen Berichtserstattung“ und „Inszenierung von Geschlecht im Unterhaltungs-TV“ entscheiden. Ich wählte letzteren Workshop und war gespannt, auf neue Serien und Filme, die es nicht nur schaffen zu unterhalten, sondern auf Geschlechtersterotype verzichten. ob es bereits einzelne Fernsehserien und Filme gibt, denen es gelingt außer zu unterhalten auch Wert darauf zu legen auf Geschlechtersteroytpe zu verzichten und Klischees über Geschlechter aufzubrechen. Bis jetzt waren mir jedenfalls keine derartigen Produktionen bekannt, die das Unterhaltungs-Fernsehen nutzten, um dem_der Zuschauer_in das Undoing Gender näher zu bringen.
Doing Science-Fiction – Doing Gender
Im ersten Input entführte uns Dr. Nadja Sennewald, Schriftstellerin und Kulturwissenschaftlerin, auf die Reise in die Welt der Science-Fiction. In ihrem Beitrag „Alien Gender - Die Inszenierung von Geschlecht in Science-Fiction-Serien“ tauchten wir in die Welt von Startrek Voyager (1987-2005) ein, ein Ausschnitt einer der sechs Science-Fiction-Serien, die Sennewald in ihrer Studie untersucht hat. „Offensichtlich fiktive Serien“ laden doch eigentlich zu spielerischen, neuen Geschlechterrollen ein, so lautet die Ausgangsüberlegung. Die Frage, ob stereotype Darstellung in Startrek Voyager gebrochen wird und eine Darstellung jenseits der Dichotomie der Geschlechter stattfindet, beantwortet uns exemplarisch die Figur von Captain Kathryn Janeway. Dieser gelingt es zwar als Captain ein Raumschiff zu leiten, unterscheidet sich aber bei näherem Hinsehen maßgeblich von ihren männlichen Kollegen in „Leitungspositionen“. So verkörpert Janeway eine Rolle, die stets instabil und unberechenbar ist. Von ihr verschuldete, außer Kontrolle geratenen Situationen werden von männlichen Personen richtig gestellt und gerettet. Frau Dr. Sennewald bringt es auf den Punkt: Frauen können die narrative Ordnung nicht herstellten, da sie selbst die Unordnung und das Chaos verkörpern.
Dass in Startrek Voyager jede Chance vertan wurde, Klischees über die Frau aufzubrechen wird auch deutlich, wenn erzählt wird, dass Captain Kathryn Janeway sich regelmäßig in andere Zeiträume beamen lässt und dort ihre romantische Seite als „Frau“ ausleben kann.
Action Girls: am Ende doch „nur Frauen“?
Doch es gibt sie, die „neuen Weiblichkeitsbilder“ in Science-Fiction-Serien und Kinofilmen. Sie werden „Action Girls“ genannt und zeichnen sich durch ein „hohes Aggressionspotenzial“ und „technische Affinität“ aus. Dennoch sind diese „Action Girls“, wie z.B. Lara Croft, nur in Teilbereichen gut und haben meistens „Co-Helfer“, die ihnen zur Seite stehen. Die Bereitschaftdieser Frauen Gewalt anzuwenden muss natürlich gerechtfertigt werden und so wird eine kriminelle Jugend und eine schwierige, nicht „typisch weibliche“ Vergangenheit zum Sündenbock für das eher „untypische“ Verhalten der Action-Frauen gemacht. Szenen, in denen ein „Action Girl“ erfolgreich aus einem Kampf herausgeht, sind auch vielfach zu sehen. Diese „weibliche Überlegenheit“ wird wiederum vielfach dadurch relativiert, dass die Frau am Ende nicht allein als Siegerin stehen bleibt, sondern erschöpft in die Arme eines Mannes fällt.
Das Fazit des Beitrages fällt ernüchternd aus: So gibt es zwar vermehrt Frauen in handlungstragenden Rollen, diese werden dann aber dargestellt, als wären sie in ihren Machtpositionen immer wieder auf die Hilfe der Männer angewiesen. Und obwohl es durchaus neue Rollenbilder gibt und Frauen nicht nur die Opferrollen zugeteilt bekommen, ist es Science-Fiction-Serien nicht gelungen, Rollenbilder zu schaffen, welche die binäre Logik von Mann und Frau verlassen.
Wissenschaft im Film: eine männliche Domäne?
Im nächsten Input verschaffte uns Prof. Dr. Flicker, Soziologin an der Universität Wien, einen Überblick über „die Geschlechterritualisierung von Wissenschaft im Mainstream-Spielfilm: 1930 bis heute“. Sie erläutert, dass die Filmanalyse auch einen Teil Gesellschaftsanalyse darstellt. Bilder der Geschlechterbesetzung in Berufen, in diesem Fall wissenschaftlichen Arbeitsfeldern, werden für viele aus medialen Bildern konstruiert. Bekommen Kinder die Aufgabe zugeteilt eine_n Wissenschaftler_in zu zeichnen („Draw a scientist“), so malen diese meistens einen Wissenschaftler. Wissenschaftsberufe sind also häufig noch immer männlich konnotiert.
Frau Prof. Dr. Flicker untersuchte mehr als 100 Spielfilme, in denen sie 7 bis 8 Stereotype von Frauen als Wissenschaftlerinnen herausarbeitete. Hier gibt es u.a. die „alte Jungfer“, die sich ganz der Wissenschaft hin gibt und Liebesbeziehungen scheut, also nie Frau und Wissenschaftlerin sein kann oder auch „die Herbe“, die einen Gegenpol zur „Weiblichkeit“ darstellt und gerne als Kettenraucherin abgebildet wird. Auch vorhanden ist „die Gute/Naive“, eine Wissenschaftlerin, welche vor lauter Naivität dann schlussendlich auch wieder von Männern gerettet werden muss. „Die einsame Heldin“ ist eine weitere Kategorie, die z.B. im Film „Contact“ von Jodie Foster dargestellt wird. Hier ist die Frau eine einsame Wissenschaftlerin im männlichen Machtapparat.
Das ein Wandel von Geschlechterrollen in den Medien stattfindet, wird auch daran deutlich, dass die Kategorisierung der Stereotype in den letzten Jahren von Frau Prof. Dr. Flicker erweitert werden mussten, da neue „Frauentypen“ in der Wissenschaft hinzukamen. So gibt es nun auch „die kluge und sexy Kampfmaschine“ und „die Zweiflerin“.
Doch zeigt das Fazit noch viel Nachholbedarf an medialer Veränderung der Geschlechterbilder auf. Es muss möglich sein, dass Wissenschaftlerinnen als Menschen dargestellt werden, die Beruf und Liebe oder Beruf und Familie vereinbaren können. Wissenschaft darf nicht als einziger Lebensmittelpunkt der Frauen inszeniert werden, nur damit eine Erklärung gefunden wird, wie es Frauen in wissenschaftliche Berufe schaffen. Das Bild der Wissenschaftlerinnen muss außerdem über die weiße Hetero-Frau hinausgehen. Frauen kommen zwar in Filmen mit Wissenschaftsthemen vor, ihre Rollen sind aber noch weit davon entfernt als Vorbild zu dienen, wie „Wissenschaft“ und „Frau-Sein“ unter einen Hut passen.
Traditioneller Tatort bricht Geschlechterklischees
Mit dem letzten Vortrag dieses Workshops erfreute uns Frau Dr. Ines Kappert, Leiterin des Ressorts für Meinung und Debatte in der taz. Dieser trug den Titel: „Die Komissarinnen sind da. Die TV-Karriere von Frauen, die viel leisten und zu wenig Spaß haben“. Obwohl in Krimis vermehrt realitätsbezogene Geschichten dargestellt werden und die Polizei ein eher männlich dominierender Bereich ist, ist zurzeit ein weltweiter Kommissarinnen-Boom zu vernehmen, leitete Frau Dr. Ines Kappert ihren Vortrag ein. Am Beispiel der wohl beliebtesten deutschen Krimiserie „Tatort“ wird gezeigt wie Frauen selbstbestimmt und kompetent auftreten können. Frauen können schießen und eigenständig Fälle lösen – erfolgreich und Kommissarin sein, bildet kein Gegensatzpaar mehr.
Aber auch die Tatortkommissarinnen müssen noch etwas dazulernen: die Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Privatleben. Denn hier sieht Kappert das Ende des emanzipatorischen Potenzials. Während die Münsteraner Kommissare Thiel und Börne auch neben ihrem zeitaufwendigen Beruf den unterschiedlichsten Hobbies nachgehen, gelingt es den Tatort-Frauen nicht, ihre Work-Life-Balance herzustellen. Frauen, wie Charlotte Lindholm, die als erfolgreiche Ermittlerin in Niedersachsen Fälle löst, dabei aber ihr Kind und Liebesleben darunter leiden müssen.
Ansonsten mangelt es an Kommissarinnen, die nicht nur erfolgreich sind, sondern auch Fehler begehen und zu diesen stehen. Auch hier wird das Bild der Frau als viel zu „perfekt“ dargestellt. Und sind wir doch ehrlich: wer braucht Vorbilder, die fehlerfrei sind und mögen wir Thiel und Börne nicht gerade deswegen, weil sie Fehler machen dürfen? Conny Mey (Tatort Frankfurt) und Bibi Fellner (Tatort Österreich) sind hier auf dem richtigen Weg, die Fehlerintoleranz zu brechen.
Seit den 70er Jahren flimmern sonntags Tatortkomissar_innen über den Bildschirm. An der Entwicklung der Rollen in dieser Krimiserie wird deutlich, dass durchaus auch alte Formate einem Wandel unterliegen können - und immer noch gerne gesehen werden.
(es folgt Teil 2 ...)
Mittwoch, 4. April 2012
Gender Matters- yes indeed!
Geschrieben von Gunda-Werner-Institut
in Gender
um
15:23
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Tags für diesen Artikel: frauen, gender, heteronormativität, identität, journalismus, medien, sprache, vorträge
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