Unter dem Motto „Öko + links + feministisch = Die Grünen 1980“ trafen sich gestern im großen Saal der Heinrich Böll Stiftung zwei Generationen zum Gespräch. Edith Müller, Landtagsabgeordnete in NRW und Christa Nickels, Mitbegründerin der Grünen NRW, erinnerten sich an die turbulenten Anfänge einer Partei, die heute, so Müller, „endlich angekommen“ sei. Befragt wurden sie von der Studentin Kathrin Purschke und dem Doktoranden Julius Heinicke. Vera Lorenz, Mitarbeiterin der Heinrich Böll Stiftung, moderierte das Erzählcafé. Weniger von Öko, dafür umso mehr von Feminismus war die Rede und davon, wie die einstige Protestpartei zu einer Partei neuen Typs wurde. Als „richtiges, offenes Lernprojekt“ und als „Kind aller Parteien“ (Müller), hätten sich die Grünen in Deutschlands politischer Landschaft am Anfang der 1980er Jahre „weder links noch rechts, sondern vorne“ ansiedeln wollen. Dass die Partei zunehmend ihren Platz im linken Flügel einnahm, lag in der Natur der Sache: Basisdemokratisch orientiert, bewegte sie Menschen unterschiedlichster politischer Herkunft zur Teilhabe und Partizipation. Noch heute sei die Partei eine offene, die engagierten Bürgern die Mitwirkung auch ohne Mitgliedschaft anbiete, betonte Nickels.
Als selbsternannte „personifizierte Frauenbewegung“ unterschrieb Christa Nickels damals als eine der Ersten das Müttermanifest, welches 1987 veröffentlicht wurde, und beteiligte sich intensiv an der kontroversen Diskussion um das Abtreibungsgesetz §218. Nickels, die sich als Mutter zweier Kinder und bekennende Katholikin stets als zwischen den Stühlen sitzend bezeichnet, wies mehrmals im Laufe des Gesprächs, aber vor allem in Bezug auf die Emanzipation, auf die Wichtigkeit hin, Konflikte auszuhalten und gesprächsfähig zu bleiben. So sei das Rotationsprinzip, das 1983 mit den Grünen in den Bundestag einzog, und auch die Frauenfraktion kein Modell für die Zukunft geblieben, aber ein entscheidender Schritt auf dem Weg, Machtverhältnisse neu zu überdenken und gewichten zu wollen, gab zustimmend Müller zu bedenken.
Die Realpolitik habe gezeigt, dass die Unterdrückung von Konkurrenzverhalten kein produktives Mittel zur Gestaltung unserer Gesellschaft sei. Wichtig sei heute, unter Frauen offene Konkurrenz auszutragen und Verletzungen nicht zu scheuen. So läge es vor allem in der Verantwortung weiblicher Führungskräfte, die Kompetenz der Frauen zu fördern und dafür zu sorgen, dass ihre Unterrepräsentanz kontinuierlich aufgehoben wird. Hierarchie fördere den Wettbewerbswillen, so Müller weiter. Keine reglementierte, sondern eine natürliche Rotation sei dabei von Bedeutung. Hängen geblieben ist Christa Nickels abschließender Satz: „Die richtigen Leute am richtigen Ort zur richtigen Zeit sind zwar noch keine Revolution, können aber enorm viel bewegen.“ Ein Aufforderung an uns alle, nicht nur Verantwortung für unsere Verletzlichkeit zu tragen, sondern auch für unser Können und Solidarität zu üben durch aufmerksames Hinhören und aufrichtiges Handeln. Angekommen sind wir noch lange nicht.